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Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften

Durch das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (CanG) soll der Zugang zu Cannabis für Volljährige erleichtert und legalisiert werden. Der Kinderschutzbund Bundesverband nimmt im Folgenden zum Grundanliegen dieses Vorhabens keine explizite Stellung – es ist ihm aber unabhängig von der grundsätzlichen Bewertung des Ansinnens des Gesetzes ein wichtiges Anliegen, dass Kinder und Jugendliche im Vergleich zur gegenwärtigen Lage durch diesen Schritt nicht größeren gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt sind. Vielmehr fordert der Kinderschutzbund, dass sie im Gegenteil besser geschützt werden. Bei der Frage der Legalisierung ist es daher aus Sicht des Kinderschutzbund Bundesverband unumgänglich, ein besonderes Augenmerk auf Kinder- und Jugendschutz und Prävention zu setzen.

Allgemeine Anmerkungen

Der Kinderschutzbund Bundesverband stellt in Frage, ob die Ziele des Gesetzes „zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention zu stärken, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken“, die Kontrolle der Qualität von Konsumcannabis und den Schutz vor Weitergabe verunreinigter Substanzen zu verhindern, bestmöglich durch die vorgeschlagene Lösung erreichbar sind und nicht durch alternative Optionen, die dem Kinder- und Jugendschutz deutlich besser entsprächen, umsetzbar wären. Der vorgeschlagene Weg einer Legalisierung über privaten Eigenanbau und gemeinschaftlichen nicht-gewerblichen Eigenanbau schafft trotz aller im Gesetz erwähnten Bemühungen des Kinder- und Jugendschutzes schwer zu kontrollierende und schwer zu sanktionierende Kontexte sowohl im Bereich auf Altersgrenzen, Mengenbegrenzungen als auch bei Schutzkonzepten oder Aufklärung.

Alternativ würde die ausschließliche kontrollierte Abgabe in zertifizierten Gewerben und/oder Apotheken unter Ausschluss der Möglichkeit des privaten Anbaus sicherstellen, dass nur Volljährige Zugang erlangen, Höchstgrenzen des Gesetzes ließen sich deutlich einfacher kontrollieren und das Ziel ggf. Verunreinigungen zu verhindern, ließe sich so besser umsetzen. Gleichzeitig könnten auf diesem Wege Aufklärung und Prävention direkt am Ort des Verkaufs durch entsprechend geschulte Fachkräfte stattfinden. Die Verschiebung des Anbaus und der Abgabe in den privaten oder halbprivaten Bereich kann keinen dieser Vorteile aufwiegen. Gleichzeitig würde ein solches Vorgehen anderen Verfahren zu legalen Suchtmitteln wie Tabak oder Alkohol entsprechen, die i.d.R. nicht privat hergestellt und weitergegeben werden, sondern nur durch Vorlage eines entsprechenden Altersnachweis gewerblich zugänglich gemacht werden. Der/die Verkäufer*in sollte bei Nichteinhaltung des Kinder- und Jugendschutzes in diesem Bereich auch mit Konsequenzen für die Ausübung des Berufes belangt werden können, da Erfahrungen zum Kinder- und Jugendschutz im Kontext des Zugangs zu Alkohol regelmäßig zeigen, dass die vorhandenen Regularien hier noch ungenügend umgesetzt werden.

Daher empfiehlt der Kinderschutzbund Bundesverband ausdrücklich im Sinne der genannten Ziele des Gesetzesentwurfs zu überprüfen, ob diese nicht auf den beschriebenen Wegen, mit deutlich mehr Kinder- und Jugendschutz sowie Prävention für alle Konsument*innen erreichbar wäre.

Der Kinderschutzbund Bundesverband weist zudem darauf hin, dass bei unter 25-Jährigen die Gehirnentwicklung nicht vollständig abgeschlossen ist. Der Gesetzesentwurf verweist selbst auf entsprechende gängige Studien und verpflichtet die Anbauvereinigungen in § 21 Abs. 3 CanGRefE darüber zu informieren, dass die Möglichkeit für neurologische und gesundheitliche Schäden bei Konsum von Cannabis im Alter von unter 25 Jahren besteht. In Anbetracht dieser Erkenntnis
fordert der Kinderschutzbund Bundesverband zu überprüfen, wie eine von dem Erreichen der Volljährigkeit unabhängige Altersgrenze, die stärker an die genannten Erkenntnisse anschließt, im Gesetz Anwendung finden könnte.

In Folgenden nimmt der Kinderschutzbund Bundesverband unabhängig von dieser Forderung Stellung zu einzelnen Regelungen des Gesetzentwurfs, die aus seiner Sicht für den Kinder- und Jugendschutz relevant sind.

§ 5 CanG-RefE Konsumverbot

Das in § 5 CanG-RefE beschrieben Konsumverbot für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soll im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes Konsumanreize für Kinder und Jugendliche weitestgehend vermeiden. Laut Begründung soll daher der öffentliche Cannabiskonsum an Orten, an denen sich Kinder und Jugendliche regelmäßig aufhalten, verboten sein.

Die Regelungen in § 5 Abs. 2 CanG-RefE werden diesem Ziel nicht ausreichend gerecht. Der genannte Abstand von 200 Meter zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten ist willkürlich und v.a. nicht lebenspraktisch kontrollierbar. Zudem ist unklar, ob das Gesetz sich mit dem Begriff der Kinder- und Jugendeinrichtung auf den Einrichtungsbegriff des SGB VIII bezieht oder eine andere Definition anlegt. Fände die Definition des SGB VIII Anwendung, fielen alle Angebote für Kinder- und Jugendliche im gewerblichen Bereich – wie Musikschulen, Tanzschulen oder privaten Clubs und Freizeiteinrichtungen, Indoorspielplätze, Schwimmbäder etc. nicht unter die genannte Regelung. Dem in der Begründung genannten Ziel, den Konsum an Orten, an denen sich Kinder regelmäßig aufhalten, zu beschränken, würde diese abschließende Aufzählung damit nicht gerecht. In der Aufzählung fehlen außerdem Einrichtung der Kindertagesbetreuung und der Kindertagespflege. Dies sollte präzisiert werden.

Die zeitliche Beschränkung des Konsums in Fußgängerzonen sollte nicht mit der Regelung 7-20 Uhr überall gleichlautend festgelegt werden, sondern muss mit den regelmäßigen Öffnungszeiten der dort ansässigen Gewerbe einhergehen. Dort wo z.B. Geschäfte auch bis 22 Uhr geöffnet haben, muss die Regelung z.B. deutlich weitergehend sein als der Vorschlag.

§ 7 CanG-RefE Frühintervention

Der Kinderschutzbund Bundesverband begrüßt das Instrument der geeigneten Frühinterventionsprogramme für Kindern und Jugendliche, die gegen das Verbot nach § 2 Abs. 1 CanG-RefE oder § 5 Abs.1 CanG-RefE verstoßen. Das Ziel der Frühinterventionsprogramme, den Jugendlichen eine kritische Reflexion ihres Verhaltens zu ermöglichen, sie durch Aufklärung und Beratung zu mehr Selbstverantwortung hinzuführen und auf eine Verhaltensänderung hinwirken, ist eindeutig zu befürworten. Der Kinderschutzbund Bundesverband ist sich selbstverständlich darüber im Klaren,
dass dies unter Wahrung des verfassungsrechtlich geschützten elterlichen Erziehungsrechts des Art. 6 GG v.a. als Angebot an Erziehungsberechtigte formuliert wird – gleichzeitig erscheint es dem Kinderschutzbund Bundesverband aber wünschenswert, im Gesetz bereits Möglichkeiten anzulegen, die im Falle des nicht Wahrnehmens eines solchen Angebots, Maßnahmen mit höherem Verbindlichkeitsgrad folgen lassen.

§ 8 CanG-RefE Suchtprävention

Der Kinderschutzbund Bundesverband begrüßt, dass das Gesetz Maßnahmen zu Suchtprävention aufgreift. Die vorgesehenen Maßnahmen müssen allerdings nicht nur für Jugendliche und junge Erwachsene, sondern explizit auch für Kinder ausgebaut und ihre Verbreitungswege zielgruppenspezifisch digitalisiert und genauer beschrieben werden. Die Zielgruppe der Kinder im Bereich Prävention und Aufklärung wird im Gesetz sowie in der Begründung nicht genannt. Hier bedarf es eindeutig der Nachbesserung. Zusätzlich zu den bereits genannten Punkten sind aus Sicht des Kinderschutzbund Bundesverbands darüber hinaus Aufklärungsangebote in Kitas und Schulen unter Einbeziehung der Erziehungs-/Sorgeberechtigten und ein niedrigschwelliges Hilfs-/Beratungsangebot nicht nur für Konsument*innen, sondern insbesondere auch für Kinder suchtkranker/suchtgefährdeter Eltern notwendig.

Bestehende Formate der Informations- und Präventionsangebote u.a. der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung insbesondere in Schulen oder im öffentlichen Raum müssen deutlich ausgebaut und verlässlich finanziert werden.

§ 10 CanG-RefE Schutzmaßnahmen bei privatem Eigenanbau zum Eigenkonsum

In § 10 CanG-RefE wird geregelt, dass privat angebautes Cannabis und Vermehrungsmaterial durch geeignete Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen vor dem Zugriff durch Kinder, Jugendliche oder Dritte zu schützen sind. Aus Sicht des Kinderschutzbund Bundesverbandes ist diese wichtige Regelung nicht präventiv kontrollierbar und gewährleistet damit keinen geeigneten Kinder- und Jugendschutz. Ein vorausgehender Schutz findet bis auf den appellatorischen Charakter der Normen nicht statt. Sanktionierung des Verstoßes sind vermutlich erst im Nachgang möglich – wenn Minderjährige durch unzureichende Sicherheitsvorkehrungen in Kontakt gekommen sind und dies offenkundig wird. Dies stellt aber keinen wirksamen Kinder- und Jugendschutz dar.

§ 27 CanG-RefE Maßnahmen der behördlichen Überwachung

In § 23 (4) CanG-RefE werden Anbauvereinigungen verpflichtet, zu einem umfassenden Jugend- und Gesundheitsschutz beizutragen und ihre Mitglieder zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis anzuhalten. Zu diesem Zweck wird in jeder Anbauvereinigung ein Präventionsbeauftragter ernannt, der/die geeignete Qualifikationen nachweisen muss. Dies ist zu begrüßen. Allerdings fordert der Kinderschutzbund Bundesverband in diesem Kontext, dass bei der behördlichen Überwachung der Anbauvereinigung im Sinne des § 27 CanG-RefE explizit und schwerpunktmäßig auch die Qualifikation der Person sowie die von der Person getroffenen Maßnahmen regelmäßig überprüft werden. Es muss dafür sichergestellt sein, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Überwachungsbehörde neben technischen und gesundheitlichen Kenntnissen auch über ausreichende Kenntnisse im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes verfügen.

§ 30 CanG-RefE Verordnungsermächtigung

Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Anzahl der Anbauvereinigungen, die in einem Kreis oder einer kreisfreien Stadt eine Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 CanGRefE erhalten dürfen, auf eine je 6.000 Einwohnerinnen und Einwohner zu begrenzen. Der Kinderschutzbund Bundesverband begrüßt diese Regelung und appelliert mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz ausdrücklich an die Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

Die Stellungnahme finden Sie ach hier als PDF zum Download.