Wenn du nicht aufisst, ist die Oma traurig.

Nicht du schon wieder!

Jetzt stell dich nicht so an!

Hör auf zu heulen!

Gleich setzt es was!

Wenn du jetzt nicht schläfst, dann knallt es!

Du machst alles falsch!

Kommt Ihnen einer dieser Sätze bekannt vor?

Wir alle haben eine recht klare Vorstellung, was körperliche Gewalt ist. Ein Kind zu verprügeln, war zu früheren Zeiten üblich, heute ist das für uns unvorstellbar. Die berühmte Ohrfeige, der sogenannte „Klaps auf den Po“ werden dagegen noch praktiziert und als „da ist mir die Hand ausgerutscht“ verharmlost. Immerhin: Das schlechte Gewissen meldet sich. Für die oben genannten Sätze und andere Formen psychischer Gewalt gibt es allerdings kaum ein Bewusstsein.


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Gewalt ist mehr, als du denkst.

Was ist psychische Gewalt? Was sind ihre Folgen? Warum ist es so wichtig, über psychische Gewalt zu sprechen? Über diese Fragen spricht Professorin Sabine Andresen, Vizepräsidentin des Kinderschutzbundes, mit der Journalistin Kerstin Dausend. Der kurze Erklärfilm möchte eine Möglichkeit zur Reflektion und Anlass zum Austausch bieten.

Was ist psychische Gewalt?

Psychische Gewalt liegt vor, …

…wenn Kinder gedemütigt oder verletzt werden

„Das habe ich dir doch schon dreimal gesagt!“ „Du machst alles falsch!“ „Aus dir wird nie was!“

…wenn Kindern ständig mit dem Verlassen, Körperschädigungen oder anderen üblen Folgen gedroht wird

„Wenn du nicht mitkommst, dann gehe ich ohne dich!“ „Gleich setzt es was!“ „Wenn Du nicht sofort aufhörst, gehst du heute ohne Essen ins Bett.“

…wenn das Kind angeschwiegen wird, mit ihm dauerhaft nicht geredet wird oder es nicht angeschaut wird

„Ich wollte Mama etwas fragen, aber sie war immer noch sauer und hat so getan, als wäre ich gar nicht da.“

…wenn Kinder ihre Freundinnen und Freunde nicht treffen dürfen, sondern zu Hause isoliert werden

„Du hast 2 Wochen Hausarrest!“

…wenn an Kinder dauernd übertriebene Anforderungen gestellt werden, die das Kind überfordern

„In einer halben Stunde muss die Küche tipp-topp aussehen. Sonst darfst du deine Serie nicht gucken.“

…wenn das Kind extremem Leistungsdruck ausgesetzt ist

„Wenn diese Zwei nicht wäre, hättest du ein Einser-Zeugnis. Das brauchst du auch, wenn du Ärztin werden möchtest.“

…wenn Kinder Zeugen elterlicher Partnergewalt werden, auch ohne selbst direkt Misshandlungen zu erleben

„Mama und Papa haben sich angeschrien und ich hatte so Angst, dass Papa Mama wieder schlägt.“


Welche Folgen hat psychische Gewalt?

Kinder, die psychische Gewalt erlebt haben, fühlen sich häufig wert- und hilflos, sie trauen sich selbst weniger zu und erlangen dadurch ein geringes Selbstwertgefühl.
Manche Kinder übernehmen das Verhalten der gewaltausübenden Elternteile. Sie beleidigen und bedrohen dann andere Kinder.

Schulkinder fühlen sich gestresst, sie können kaum konzentriert lernen, was sich oft in schlechten Leistungen niederschlägt. Jugendliche scheitern in vielen Fällen beim Erwachsen werden.
Es fällt ihren sehr schwer, stabile Bindungen und Beziehungen aufzubauen.

Nicht selten leiden Menschen, die emotionale Gewalt erfahren haben, im Erwachsenenalter unter Depressionen und Angstgefühlen. Sie sind oft weniger belastbar, stressanfällig und haben Schwierigkeiten, die Herausforderungen des Lebens zu meistern.


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Wie kann man auf eine gesunde Art mit dem Gefühl der Wut umgehen?

Alle Gefühle sind richtig und dürfen auch sein. Jeder Mensch ist mal wütend. Wut kann uns zeigen, dass vielleicht gerade unsere Grenzen erreicht sind. Wut kann aber auch dazu führen, dass wir unüberlegt handeln oder sogar dazu, dass seelische und körperliche Gewalt ins Spiel kommt. Der Film aus der Reihe Starke Eltern – Starke Kinder® erklärt, wie man auf eine gesunde Art mit Wut umgehen kann.

Psychische Gewalt in Institutionen

Nicht nur in der Familie, auch in den Institutionen – psychische Gewalt findet überall statt. Sport und Schule sind hierbei zwei elementare Bereiche, in denen Kinder und Jugendliche mit Demütigungen, Diskriminierungen und Drohungen konfrontiert sein können.

Psychische Gewalt im Sport

Im Sport herrscht noch immer die Vorstellung, dass gute Leistungen nur mit Abwertung, Drill und Demütigung zu erreichen sind. 63 % der Befragten einer repräsentativen Studie der Sporthochschule Köln und dem Uniklinikum Ulm aus dem Jahr 2022 gaben an, dass sie psychische Gewalt im Vereinssport erfahren haben. Diese Erfahrungen machen jungen Sportler*innen im Kontext Sportverein, laut der o.g. Studie: 

  • Sie wurden runtergemacht, in große Verlegenheit gebracht oder gedemütigt, z. B. durch abwertende Spitznamen.
  • Sie wurden wegen Ihrer körperlichen Erscheinung kritisiert, z. B. wegen Ihres/r Gewichts, Aussehens, Kleidung, Körperform.
  • Sie wurden wegen Ihrer Leistung im Wettkampf oder Training persönlich angegriffen, beschimpft oder bedroht.
  • Sie wurden grundlos und absichtlich ignoriert und ausgeschlossen.
  • ihnen wurde körperliche Gewalt angedroht, ohne dass sie tatsächlich angegriffen wurden. 
  • Sie wurden aufgefordert oder gezwungen an Aufnahme- oder anderen Ritualen teilzunehmen, die damit verbunden waren, sie (oder andere) zu demütigen, zu erniedrigen oder herabzuwürdigen.
  • Sie wurden aufgefordert, angewiesen oder gezwungen, unrealistisch hohe Erwartungen zu erfüllen.

Sportvereine sollen Orte der Beziehung, der Talentförderung und der Motivation sein. Wo Demütigungen und Drohungen stattfinden, müssen Sportler*innen Gehör finden und Täter*innen Konsequenzen spüren. Die positive Nachricht: Viele Sportvereine haben sich bereits auf den Weg gemacht. Sie wissen, dass wir eine Kultur des Hinsehens brauchen. Der Kinderschutzbund möchte mit seiner Kampagne einen Beitrag dazu leisten und entsprechende Entwicklungen im sportlichen Bereich unterstützen.


Psychische Gewalt in der Schule

Die Datengrundlage für das Vorkommen von psychischer Gewalt an Schulen, insbesondere ausgehend von Lehrkräften gegenüber Schüler*innen, ist dünn. Es ist aber davon auszugehen, dass von allen Gewaltformen psychische Gewalt diejenige ist, die am häufigsten vorkommt. Beispiele für psychische Gewalt von Lehrer*innen gegen Schüler*innen sind: 

  • bloßstellen / demütigen  
  • ungerechte Benotung
  • sexualisierte Gewalt/Sprache
  • schlechte Ansprache: Meckern, Sarkasmus, Schubladen-Denken (“Immer machst du…”) 
  • Diskriminierung aufgrund von Behinderung, Gender, Migrations- / Fluchtgeschichte, Transgeschlechtlichkeit, Bildungshintergründen der Eltern
  • Ignorieren,
    • wenn ein Kind gemobbt / einem Kind von anderen Kindern Gewalt angetan wird
    • wenn eine Besonderheit in Bezug auf das Lernen existiert, wie zum Beispiel Dyskalkulie oder Legasthenie
  • Unter Druck setzen in Bezug auf Leistung und mit anderen vergleichen

Schule ist der Ort im Leben von Kindern, den sie und ihre Eltern nicht selbst wählen können, zu besuchen. Es herrscht Schulpflicht. Gerade deshalb ist es für den Kinderschutzbund entscheidend, dass die Schule für Kinder und Jugendliche ein sicherer Ort ist.


Wie geht es besser?

In Stressmomenten tief durchatmen

Bei elterlicher Wut hilft es in Stressmomenten tief durchzuatmen, lautlos bis 20 zu zählen oder kurz den Raum zu verlassen, um möglichst nicht zu explodieren.

Langfristige Strategien: Über Entwicklungsstufen des Kindes informieren und Selbstfürsorge

Vor allem aber sollten Eltern auf langfristige Strategien setzen: Es ist sehr hilfreich, sich über die Entwicklungsstufen von Kindern und Jugendlichen zu informieren. Wird der Wutanfall des Kleinkindes oder das maulige Gesicht des Teenagers als altersgerecht und notwendig verstanden, dann ist beides leichter auszuhalten.

Geduldig sein kann nur, wer eigene Freiräume hat. Zeit zum Lesen und Entspannen, für Sport oder das Zusammensein mit Freund*innen auch mal ohne Kind, sind kein Luxus, sondern notwendige Selbstfürsorge.

Die eigene Kindheit reflektieren

Um das eigene Verhalten zu verändern, ist es vor allem zentral, dass Elternihre eigene Kindheit und ihr Erziehungsverhalten reflektieren. Dies geht zum Bespiel im Elternkurs Starke Eltern – Starke Kinder oder in Gesprächen in der Partnerschaft oder mit Freund*innen.

Dabei brauchen Eltern eine versöhnliche Haltung: Persönliche und gesellschaftliche Muster zu durchbrechen kostet Kraft und vor allem auch Zeit. Fehler machen ist menschlich. Eltern sollten nicht nur ihren Kindern gegenüber tolerant sein, sondern unbedingt auch sich selbst.  

Heißt das, ich darf keine Grenzen setzen?

Darf ich gar nicht mehr einschreiten, wenn mir etwas an dem Verhalten meines Kindes missfällt? Eltern dürfen ihren Kindern, wie auch allen anderen Menschen, ihre Grenzen klar und deutlich aufzeigen. Das ist auch wichtig, denn nur so lernen Kinder, Grenzen anderer zu respektieren und auch eigene Grenzen klar zu setzen. „Nein, ich bin zu müde, um jetzt mit dir zu spielen.“ Dieser Satz ist in Ordnung und manchmal nötig, um sich selbst vor Überforderung zu bewahren.

Elternkursangebot Starke Eltern – Starke Kinder

Sie möchten wissen, wie eine Erziehung, die ohne psychische Gewalt auskommt, im Alltag aussehen kann? Sie wünschen sich Unterstützung und Austausch? Starke Eltern – Starke Kinder ist ein Kursangebot, das Eltern dabei unterstützt, ihre Kinder gewaltfrei und mit Respekt zu erziehen. Die Grundlage des Elternkurses sind die Kinderrechte und das Modell der anleitenden Erziehung, das in der Fachliteratur auch autoritativer Erziehungsstil genannt wird. Wenn Sie sich für eine Teilnahme an einem Elternkurs interessieren, informieren Sie sich bei Ihrem Kinderschutzbund vor Ort. Nähere Informationen finden Sie auch auf www.sesk.de.