Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von gewaltbetroffenen Personen im familiengerichtlichen Verfahren, zur Stärkung des Verfahrensbeistands und zur Anpassung sonstiger Verfahrensvorschriften
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Der Kinderschutzbund Bundesverband bedankt sich für die Option der Stellungnahme zu vorliegendem Referentenentwurf.
Der Kinderschutzbund begrüßt ausdrücklich, dass der Gesetzgeber mit vorliegendem Entwurf die erhöhte Schutzbedürftigkeit, der von Gewalt betroffenen Personen im familiengerichtlichen Verfahren anerkennt und entsprechende Reformschritte nun einleitet. Der Kinderschutzbund unterbreitet im Folgenden noch detaillierte Nachbesserungs- und Änderungsvorschläge mit besonderem Blick auf die (mit-)betroffenen Kinder.
Der Kinderschutzbund begrüßt darüber hinaus die vorliegenden ersten Schritte zur weiteren Stärkung und gesetzliche Systematisierung der Rolle und Aufgaben der Verfahrensbeistände. Für Kinder sind Verfahrensbeistände essenzielle Begleiter*innen in familiengerichtlichen Ver-fahren, die ihre Interessen, Wünsche und Bedarfe vertreten und vermitteln. Dafür braucht es gut qualifizierte Fachkräfte, die sich für jedes Kind ausreichend Zeit nehmen (können). Auch hier fordert der Kinderschutzbund aber noch mehr Mut und Reformeifer, um die Rolle der Verfahrensbeistände wirklich im Sinne der Kinder auszubauen.
Gleichzeitig sieht der Kinderschutzbund weiteren Reformbedarf und kritisiert daher die Reihen-folge der angekündigten Reformvorhaben.
So ist es nicht nachvollziehbar, warum die vorliegenden Reformvorschläge nicht gemeinsam mit den ausstehenden Reformvorhaben im Abstammungsrecht, Kindschaftsrecht und Unterhaltsrecht in einem Referentenentwurf umgesetzt werden. Die entsprechenden weiteren Eckpunkte liegen bereits seit vielen Monaten vor. Die Ermöglichung von Co-Mutterschaften ohne Stiefkindadoption, das statusunabhängige Vaterschaftsfeststellungsverfahren, eine bedarfsgerechte Neugestaltung der Unterhaltsregelungen, aber auch ein neuer Blick auf Umgangsregelungen bei Partnerschaftsgewalt sind wichtige und dringend ausstehende Reformschritte. Der Kinderschutzbund verweist insoweit auf seine bereits eingereichte Stellungnahme zu den ge-nannten Eckpunkten.
Eine separate Behandlung dieser Problemlagen mit dem hier vorliegenden Familienverfahrens-recht erscheint künstlich und erschwert eine ganzheitliche Betrachtung der Problemlagen für den Bereich Familienrecht. Der Kinderschutzbund weist darauf hin, dass ein zusammenhängen-der Reformprozess des materiellen Familienrechts gemeinsam mit den Verfahrensregeln sinnvoll gewesen wäre. Der Kinderschutzbund behält sich vor, auch die in dieser Stellungnahme vorgebrachten Argumente und Anregungen zu überdenken und ggf. auch zu revidieren, wenn sich nach Vorlage von Gesetzesentwürfen zu den oben genannten Reformvorhaben relevante Wechselwirkungen zum Referentenentwurf des FamFG ergeben.
Zudem möchte der Kinderschutzbund anregen, eine möglichst gender-neutrale Schreibweise zu verwenden. Es mutet seltsam an, wenn in diesem Entwurf, der den Schutz von gewaltbetroffenen Personen im familiengerichtlichen Verfahren zum Gegenstand hat, der nicht ausschließlich, aber in den Mehrheit der Fälle Frauen betrifft, vom „Antragsteller“ die Rede ist.
Zu den einzelnen Änderungsvorschlägen des Referentenentwurfes im Familienverfahrensgesetz (FamFG-E) und Gerichtsverfahrensgesetz (GVG-E) nimmt der Kinderschutzbund im Folgenden in chronologischer Reihenfolge Stellung:
§ 57 FamFG-E Rechtsmittel gegen Einstweilige Anordnung
Nach § 57 FamFG-E werden künftig vollständige Umgangsausschlüsse im einstweiligen Rechts-schutz, „die nicht nur auf eine kurze und vorübergehende Aussetzung des Umgangs beschränkt sind“ anfechtbar sein. Bisher waren Entscheidungen zum Umgang im einstweiligen Verfahren stets unanfechtbar.
Grundsätzlich sollten die Familiengerichte so ausgestattet sein, dass die Hauptsacheverfahren zeitnah stattfinden können, dann könnten im einstweiligen Verfahren angeordnete Umgangsausschlüsse im Hauptsacheverfahren zeitnah erneut aufgerufen und geprüft werden. Der Kinderschutzbund kann die Neuregelung jedoch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nachvoll-ziehen, denn Umgangsausschlüsse stellen einen gravierenden Grundrechtseingriff dar. So gibt es Konstellationen, in denen sich kein Hauptsacheverfahren anschließt oder die Erstellung von Sachverständigengutachten lange Zeit in Anspruch nimmt, so dass das Hauptsacheverfahren nicht zeitnah durchgeführt wird. Deshalb ist die nunmehr geschaffene Möglichkeit, gegen den im einstweiligen Verfahren beschlossenen Umgangsausschluss vorzugehen, sinnvoll. Gerade für Kinder hat Zeit eine andere Dimension und auch andere Effekte. Zu revidierende Umgangsausschlüsse dürfen nicht erst im nach langer Zeitspanne stattfindenden Hauptsacheverfahren abgeändert werden. Für Kind und Elternteil ist es dann oft schwierig, an die Beziehung anzuknüpfen. Oft muss sie erneut aufgebaut werden. Gleichwohl darf das Beschleunigungsgebot für Hauptsacheverfahren nicht aus dem Blick gera-ten. Um das zu ermöglichen, braucht es eine bessere personelle Ausstattung und bürokratische Entlastungen der Familiengerichte.
Der Kinderschutzbund begrüßt insbesondere die Regelung in § 68 Abs. 3 S. 2 und 3 FamFG, mit der unnötige Doppelanhörungen von Kindern vermieden werden sollen.
§ 152 FamFG-E Örtliche Zuständigkeit bei Verfahren in Kindschaftssachen
In Kindschaftssachen ist heute das Familiengericht vorrangig örtlich zuständig, bei dem die Scheidung der Eltern anhängig ist. Soweit kein Scheidungsverfahren anhängig ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Nach dem Referentenentwurf werden künftig bei gleichzeitiger Anhängigkeit eines Gewaltschutzverfahrens oder bei Vorliegen einer Gewaltschutzanordnung das gewaltbetroffene Elternteil in der Kindschaftssache auch weitere Optionen zur Wahl der örtlichen Zuständigkeit bekommen. Der gewaltbetroffene Elternteil kann zwischen dem Gericht des Gewaltschutzverfahrens nach § 211 FamFG-E und dem Gericht, in dessen Bezirk das Kind bei Einleitung des Gewaltschutzverfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, nach freiem Ermessen wählen.
Der Kinderschutzbund begrüßt diese neuen Zuständigkeitsregeln ausdrücklich. Soweit die Kin-der mit einem Elternteil zum eigenen Schutz anonym untergebracht sind, braucht es unbedingt diese Wahlgerichtsstände, um die Anonymität des neuen Wohnortes oder der Schutzeinrichtung der von Gewalt betroffenen Kinder und Elternteile zu sichern. Den eingereichten Antrag auf ein Gewaltschutzverfahren als objektiven Ansatzpunkt für die Eröffnung der weiteren Zuständigkeitsregeln hält der Kinderschutzbund für gut geeignet.
§ 156 a FamFG-E Besondere Vorschriften bei Anhaltspunkten Partnerschaftsgewalt
Der neu hinzugefügte § 156 a FamFG-E betont, dass ein Verdacht auf Partnerschaftsgewalt immer auch im Verfahren in Kindschaftssachen beachtet und einbezogen werden muss. Bei Anhaltspunkten, dass Fälle des Gewaltschutzgesetz vorliegen, soll das Gericht nicht mehr auf das Einvernehmen der Beteiligten hinwirken und von Anordnungen über gemeinsame Informations- und Beratungsgespräche absehen. Das Gericht soll die Beteiligten zudem getrennt anhören.
Der Kinderschutzbund begrüßt die Vorschrift. Der Kinderschutzbund betont, dass eigentlich schon heute im Sinne der Amtsermittlung auch Partnerschaftsgewalt im Kindschaftsverfahren ermittelt und beachtet werden müsste. Da dies in der gerichtlichen Praxis leider teilweise unterlassen wird, begrüßt der Kinderschutzbund ausdrücklich, dass dies nun gesetzlich normiert wird. Der Kinderschutzbund betont dabei, dass Partnerschaftsgewalt in jedem Fall Auswirkungen auf die Kinder hat. Insoweit muss diese Gewalt in der Familie bei kindzentrierten Entscheidungen über das Sorge- und Umgangsrecht immer aufgeklärt, mit beachtet und einkalkuliert werden. Dies gilt auch, wenn die Kinder nicht selbst Gewaltopfer oder nicht unmittelbare Au-genzeugen der Gewalt waren. Denn die Kinder wachsen in einem gewaltförmigen Klima auf, das den Alltag bestimmt und auf sie vergleichbare schädliche Auswirkungen hat, als hätten sie die Gewalt direkt selbst erlebt. Insoweit sind Kinder bei Partnerschaftsgewalt stets mitbetroffen.
Der Kinderschutzbund regt zudem eine Nachschärfung der Soll-Vorschrift des neuen § 156 a Abs. 2 S. 1 FamFG-E hin zu einer Muss-Vorschrift an. Das gerichtliche Hinwirken auf Einvernehmen der Beteiligten, sowie zu gemeinsamen Informations- und Beratungsgesprächen, kommt einer zwingenden Mediation gleich und ist damit nach der Istanbul -Konvention unzulässig. So-weit Partnerschaftsgewalt im Raum steht, dürfen keine Bemühungen zum Einvernehmen mehr forciert werden.
Der Kinderschutzbund regt zudem an, den § 156 a Abs. 2 S. 2 FamFG-E ebenfalls nachzuschärfen und um eine Pflicht der getrennten Anhörung der Kinder von den Eltern zu ergänzen. So-bald Gewalt jeglicher Art im Raum steht, sollten die Kinder und Jugendlichen nicht in Anwesen-heit der Eltern angehört werden, um Loyalitätskonflikte der Kinder nicht zu verstärken. Bisher gibt es hierzu keine zwingende Norm.
§ 158a FamFG-E Eignung des Verfahrensbeistandes
Auch wenn § 158a FamFG nach dem Referentenentwurf nicht verändert werden soll, regt der Kinderschutzbund eine Streichung der in § 158a Absatz 1, S. 2 und 4 FamFG enthaltenen Worte „auf Verlangen“ an. Dies soll verdeutlichen, dass Verfahrensbeistände in jedem Fall aus eigener Verpflichtung heraus die entsprechenden Unterlagen vorzulegen haben.
§ 158 b FamFG-E Verfahrensbeistand
Die Aufgabenbeschreibung der Verfahrensbeistände wurde in § 158 b FamFG-E neu sortiert und neujustiert. Die Differenzierung zwischen originärem Aufgabenkreis nach § 158 b Abs. 1 FamFG in der aktuellen Fassung (a.F.) und dem erweiterten Aufgabenkreis nach 158 b Abs. 2 FamFG a.F. erscheint damit aufgehoben zu sein. Insgesamt sind die in § 158b Abs. 15.2 Nr. 1 – 5 FamFG genannten Aufgabenbereiche nicht nur als Soll-Vorschrift, sondern als Muss-Vorschrift auszugestalten. In Bezug auf Gespräche mit weiteren Bezugspersonen, sollte es im Ermessen des Verfahrensbeistands liegen, mit wem er Kontakt aufnimmt und Gespräche führt. Der Kin-derschutzbund begrüßt die systematischere Aufgabenbeschreibung der Verfahrensbeistände und die Abkehr von der Differenzierung nach originärem und erweitertem Aufgabenkreis, da die Unterscheidung bisher kaum fachlich fundiert gemacht werden konnte. Insbesondere, dass nun auch qua Gesetz regelmäßig Elterngespräche zum Standard für Verfahrensbeistände werden sollen, begrüßt der Kinderschutzbund ausdrücklich. Der Kinderschutzbund weist aber da-rauf hin, dass bisher leider die Qualität von Verfahrensbeiständen sehr unterschiedlich ist. Es braucht hier unbedingt Nachbesserungen und Mindeststandards bei den Qualifikationsangebo-ten, sowie laufenden Fortbildungspflichten und Qualitätskontrollen der Verfahrensbeistände.
Zudem wird in § 158 b FamFG-E festgelegt, dass bei Sprachbarrieren durch das Gericht ein Dolmetscher angeordnet werden muss. Die gerichtlich angeordnete Hinzuziehung von Dolmetscher*innen wird ebenfalls ausdrücklich vom Kinderschutzbund begrüßt, denn bisher scheint es an dieser Stelle immer wieder Probleme bei der Klärung von Kostenfragen zu geben. Für die Kinder ist es aber essenziell, alles gut zu verstehen und ihre Wünsche, Sorgen und Bedarfe in ihrer primären Sprache kommunizieren zu können.
Im Zuge der Inklusion gehören dazu auch Sprachmittler oder beispielsweise Gebärdendolmetscher. Dieser Aspekt sollte zumindest in der Gesetzesbegründung aufgegriffen werden.
§ 158c FamFG-E Vergütung und Kosten für Verfahrensbeistände
In § 158 c werden die Vergütungen für die Verfahrensbeistände neu festgelegt.
Der Kinderschutzbund kann die Angemessenheit der neuen Höhen nicht abschließend werten, betont aber, wie wichtig gut qualifizierte Fachkräfte sind, die ausreichend Zeit und Ressourcen für die betroffenen Kinder haben. Um solche Fachkräfte für diesen wichtigen Beruf zu gewinnen und zu halten, braucht es auch eine auskömmliche Vergütung. Insofern können die vorgeschlagenen Summen nur eine Untergrenze darstellen und die Pauschalen bedürfen einer laufenden Anpassung. Diese regelmäßige Anpassung sollte auch im neuen Gesetzestext ihren Niederschlag finden. Außerdem sieht der Kinderschutzbund die Absenkung bei Geschwisterkindern um 20% als zu hoch an. Richtig ist, dass in geringem Maße bei Geschwisterkonstellationen bestimmte Handlungen, wie z. B. Terminvereinbarungen für Gespräche mit den Eltern, nur einmal anfallen. Allerdings sind die Interessen eines jeden Kindes separat zu ermitteln. Sonstige Bezugspersonen der Geschwister sind in der Regel unterschiedliche Personen, mit denen g-trennt Gespräche zu führen sind. Um die Verfahrensbeistände nicht mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand zu belasten, ist zu prüfen, ob die Dolmetscherkosten nicht unmittelbar mit der Justizkasse abzurechnen sind, wenn das Gericht die Hinzuziehung eines Dolmetschers beschlossen hat.
§ 158 d FamFG-E Ermöglichung Gespräch zwischen Verfahrensbeistand und Kind; Zwangsmittel
Durch den neu vorgesehenen § 158 d FamFG-E wird das Gespräch zwischen Verfahrensbei-stand und Kind auch gegen den Willen der Eltern bzw. eines Elternteils ermöglicht. Insoweit soll die Möglichkeit einer gerichtlichen Anordnung des Gesprächs qua Beschluss neu geschaffen werden.
Der Kinderschutzbund erkennt die Notwendigkeit an, dass in bestimmten Konstellationen auch gegen den Willen der Eltern bzw. eines Elternteils, die Kinder ein Anrecht auf eine Erörterung mit ihrem Verfahrensbeistand erhalten. Jedoch mahnt der Kinderschutzbund an, diese Option und die dafür notwendigen Mittel restriktiv auszulegen.
Kindern soll es durch diese Vorschrift ermöglicht werden, ihre Interessen dem Verfahrensbei-stand mitzuteilen, auch wenn die Eltern sich gegen die Einbeziehung des Verfahrensbeistandes ausgesprochen haben. Grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass Kin-der keine Mitwirkungspflicht haben. Berücksichtigt werden sollte schließlich, dass es insbesondere bei Hochstrittigkeit und in Kindeswohlgefährdungsfällen einer Regelung bedarf, wenn Eltern eine Schweigepflichtentbindung verweigern. Denn dies würde der besseren Durchsetzung der Interessen der Kinder dienen und die Gespräche von Verfahrensbeiständen mit sonstigen Bezugspersonen wie z. B. Ärzt*innen, die mit dem Kind zu tun haben, erst ermöglichen.
§ 164 FamFG-E Begründung der Bescheidung; Bekanntgabe an das Kind:
Der § 164 FamFG-E wird neu systematisiert, bleibt aber inhaltlich gleich. Weiterhin sollen An-träge in Kindschaftssachen immer begründet werden. Zudem werden Endentscheidungen den betroffenen Jugendlichen über 14 Jahren formal bekannt gegeben, denn diese haben regelmäßig auch ein formelles Beschwerderecht.
Der Kinderschutzbund begrüßt die bessere Handhabbarkeit der neuen Norm. Der Kinderschutzbund regt an, neben der Regelung für über 14-Jährige zur formellen Bekanntgabe anzufügen, dass auch jüngere Kinder altersentsprechend über die Inhalte der Endentscheidung regelhaft informiert und aufgeklärt werden sollen. Die hier gemachte Regelung birgt die Gefahr zu suggerieren, dass Kinder unter 14 Jahren keine Begründung oder ähnliches erhalten.
§ 170 FamFG-E Örtliche Zuständigkeit: Abstammungssachen
Der Kinderschutzbund begrüßt auch die in § 179 FamFG-E neu eingeführten Wahlgerichts-stände bei Partnerschaftsgewalt für Verfahren in Abstammungssachen. Für die inhaltlichen Anmerkungen wird auf die Ausführungen zu § 152 FamFG-E verwiesen.
§ 211 FamFG-E Örtliche Zuständigkeit Gewaltschutzsachen
Für Gewaltschutzsachen wird nach § 211 FamFG-E nun auch, auf Wunsch des Antragsstellers, das Gericht in dessen Bezirk dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständig. Diese Option ist nach Einschätzung des Kinderschutzbundes gut und wichtig, um den anonymisierten Schutz des von Gewalt betroffenen Elternteils, aber auch der mitbetroffenen Kinder besser ab-zusichern und den Zugang zu Gewaltschutzverfahren zu vereinfachen.
§ 211 a FamFG-E: Antrag Gewaltschutzverfahren
Im neu eingefügten § 211 a FamFG-E wird der Antrag für Verfahren in Gewaltschutzsachen nun genauer definiert und die verpflichtenden Inhalte beschrieben. Insbesondere soll künftig stets bereits im Antrag angegeben werden, ob ein Kind im Haushalt lebt, ob und wo aktuell eine Kindschaftssache anhängig ist, und ob der Aufenthaltsort der Antragsstellenden Person und der mitbetroffenen Kinder geheim zu halten ist. Zudem wird in § 211 a Abs. 3 S. 2 FamFG-E festgelegt, dass der Antrag unverzüglich an das zuständige Jugendamt übermittelt werden muss,´sollten Kinder mit im Haushalt leben.
Der Kinderschutzbund begrüßt die Regelungsvorschläge. Insbesondere ist die frühestmögliche Informationsweitergabe, ob Kinder (mit-)betroffen sind, essenziell, um einen umfassenden Kinderschutz auf allen Ebenen zu ermöglichen. Der Kinderschutzbund weist aber darauf hin, dass eine reine Informationsweiterleitung an die Jugendämter für einen besseren Kindeschutz nicht ausreicht. Die Jugendämter müssen vielmehr auch ihrer Handlungspflicht bei Hinweisen auf eine Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII auch bei Fällen von Partnerschaftsgewalt nach-kommen, den Kontakt zu den betroffenen Kindern und Eltern suchen und die jeweilige Situation und mögliche Hilfe- und Unterstützungsleistungen im Sinne der Kinder prüfen. Wenn Kinder bei Partnerschaftsgewalt nicht direkt Gewalt erfahren, werden Jugendämter in der heutigen Praxis leider oft nicht in der notwendigen Form tätig, obwohl auch die Zeugenschaft elterlicher Partnergewalt eine potenzielle Kinderwohlgefährdung darstellt. Hier zeigt sich ein erheblicher Qualifizierungsbedarf der Fachkräfte.
§ 212 FamFG-E Beteiligte in Gewaltschutzssachen
Nach dem Entwurf wird das Jugendamt in Gewaltschutzverfahren nicht mehr nur bei Antrag auf Überlassung der Wohnung, sondern auch bei allen anderen Anträgen auf Gewaltschutzan-ordnungen nach § 1 Gewaltschutzgesetzt informiert, wenn ein Kind im Haushalt der Beteiligten lebt.
Der Kinderschutzbund begrüßt die Ausweitung der Informationspflicht auf alle Fälle mit Kindesbezug. Es wird aber darauf hingewiesen, dass es dann sinnlogisch wohl auch einer Anpassung in § 213 Abs. 1 FamFG braucht, also auch in Verfahren des § 1 Gewaltschutzgesetz, dass das Familiengericht das Jugendamt anhören soll.
§ 216 a FamFG-E Mittelung Entscheidungen im Gewaltschutzverfahren
Durch die geplante Neufassung des § 216 a FamFG-E wird das Jugendamt auch über alle weiteren Veränderungen im Rahmen des Gewaltschutzinteresses unverzüglich unterrichtet. Der Kinderschutzbund begrüßt diesen verpflichtenden und verbesserten Informationsfluss zwischen Gerichten und Jugendamt. Eine gute Kooperation und Informationsweitergabe sind, wie bereits dargestellt, die Basis für einen wirksamen Kinderschutz.
§ 232 FamFG-E Örtliche Zuständigkeit Unterhaltssachen
Der Kinderschutzbund begrüßt auch die in § 179 FamFG-E neu eingeführten Wahlgerichts-stände bei Verdacht auf Partnerschaftsgewalt für Verfahren in Unterhaltssachen. Für die inhaltlichen Anmerkungen wird auf die Ausführungen zu § 152 FamFG-E verwiesen.
§ 23b GVG-E Amtsgerichte in Familiensachen
Künftig müssen bei mehreren Abteilungen für Familiensachen all jene Familiensachen, die den-selben Personenkreis betreffen, zwingend derselben Abteilung zugewiesen werden.
Der Kinderschutzbund begrüßt die Verschärfung von der bisherigen Soll- zu einer Muss-Vor-schrift. Es ist im Sinne der Kinder, wenn nicht parallel mehrere Verfahren bei verschiedenen Abteilungen anhängig sind. Für eine ganzheitliche Lösung von familiengerichtlichen Konflikten ist es von immensem Vorteil, wenn die verschiedenen Rechtsfragen durch einen Rich-terin/eine Abteilung mit ganzheitlichem Blick auf das Kind und die Familie geklärt werden.
Der Kinderschutzbund regt darüber hinaus weitere Reformen in § 23b Abs.3 GVG an. Der Kinderschutzbund sieht die besonders gute und verpflichtende Qualifizierung von Richterinnen im familiengerichtlichen Verfahren als wichtigste Bedingung für Verfahren im Sinne der Kinder. Insoweit wird angeregt, Richterinnen auf Probe wieder erst nach 3 Jahren das Geschäft des Familienrichters zu ermöglichen. Zudem drängt der Kinderschutzbund darauf, dass die verpflichtenden „vertieften Kenntnisse“ von Familienrichterinnen stets bereits vor Amtsantritt nachgewiesen werden müssen. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, dürfen entsprechende Fälle den Familienrichterinnen nicht übertragen werden.
Darüber hinaus sieht der Kinderschutzbund auch die Länder in der Pflicht, die Qualifizierungsmaßnahmen für Familienrichterinnen strenger auszulegen, mehr qualitativ hochwertige Qualifizierungsangebote zu schaffen, den Familienrichterinnen bei der Fallzumessung mehr Zeit für Fortbildungen zu gewähren und in jedem Familiengericht Supervision anzubieten. Denn die Qualität aller familiengerichtlichen Verfahren steht und fällt mit der Qualität aller professionellen Verfahrensbeteiligten. Die Familienrichterinnen sind dabei aber die wohl wichtigsten Akteur*innen.